Jay Schwartz: Narcissus & Echo

Premiere
17. Oktober 2020
Kammeroper nach Ovids Metamorphosen in zwei Akten (2003/2009)

Narziss und Echo

Musiktheater in der Nach- (oder Noch-)Coronazeit – das muss mehr sein als ein „Weiter so“ und „Zurück zur Tagesordnung“. Nicht nur wegen Abstandsregeln und Schutzauflagen gilt es, grundsätzlich zu reflektieren, wie Musik, Spiel und Publikum in ein neues Verhältnis gebracht werden können, wie sich gebotene Distanz und erhoffte Nähe austarieren lassen. Die Opera Factory Freiburg wagt dies in ihrer diesjährigen Herbstproduktion und hat mit Jay Schwartz' Kammeroper „Narcissus & Echo“ das ideale Werk dazu gefunden.

Das Stück basiert auf der gleichnamigen Erzählung aus Ovids Metamorphosen, in welcher der römische Dichter den Mythos von Narcissus, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt, und der Nymphe Echo, die dazu verflucht ist, nur die letzten Worte ihres Gegenübers wiederholen zu können, poetisch erzählt. Schwartz' Oper verzichtet jedoch auf eine direkte Nacherzählung dieser tragischen Geschichte, sondern beschränkt sich auf wenige Sätze wörtlicher Rede daraus, die in einen musikalisch-theatralischen Spannungsbogen gebracht werden. Der Mythos wird weniger dargestellt als reflektiert, wobei abstrakte Elemente wie Spiegelung und Wiederholung die tragende Rolle spielen. Entsprechend wird sich auch die Inszenierung von Heiko Hentschel auf eine assoziative Umsetzung der Musik konzentrieren und mit neuen Bildern, mit ungewöhnlicher Raumnutzung und auch filmischen Mitteln das Werk neu darstellen. So wird die frappante Aktualität der zu Grunde liegenden Geschichte deutlich, die von Selbstbespiegelung und Selbstverlust erzählt – wie ein Kommentar zu Instagram, Facebook und Co, jedoch 2000 Jahre alt!

Die Musik von Jay Schwartz widersetzt sich jeder Einordnung in gängige Kategorien. Sie ist physisch erlebbarer Klang, sie entfaltet eine auratische Kraft und überwältigt ihren Hörer durch eine rational nicht fassbare, aber emotional mitreißende tonale Schönheit. Gleichzeitig ist Schwartz ein Meister der Reduktion: Für seine Kammeroper benötigt er lediglich eine einzige Vokalstimme, die keiner Figur des Mythos eindeutig zuzuordnen ist. Dazu tritt als instrumentales Alter Ego eine Solobratsche, die ebenfalls szenisch eingesetzt wird, sowie als musikalischer Untergrund extensives Schlagwerk und Orgel. 

Fotos: Sébastien Brohier

 
Musikalische LeitungKlaus Simon
Inszenierung und Ausstattung

Heiko Hentschel
Regie- und Ausstattungsassistenz

Ann-Marie Najderek
DramaturgieCornelius Bauer

Solisten Hélène Fauchère sopran
Aida-Carmen Soanea Viola
Holst-Sinfonietta Lee Ferguson und Seorim Lee Schlagzeug
Klaus Simon Orgel

Online-Einführung mit Cornelius Bauer

Teil I  ÜBERBLICK

Teil II  OVIDS METAMORPHOSEN UND DER MYTHOS NARCISSUS & ECHO

Teil III  LIBRETTO UND AUFBAU
Teil IV  MUSIK
Teil V  BRITTEN UND LACHRYMAE

Eine Produktion der Opera Factory Freiburg in Kooperation mit dem E-Werk Freiburg

Gefördert von der Stadt Freiburg und dem LAFT BW, der Sparkasse Freiburg/Nrdl. Brsg und dem Carl-Schurz-Haus Freiburg

Kritiken

bz/nmz – Badische Zeitung / Neue Musikzeitung

18./19. Oktober 2020

„Die Freiburger Opera Factory berührt mit "Narcissus & Echo [...] Eine Fülle von Emotionen, ganz von der Musik getragen: Klaus Simon und die Freiburger Opera Factory berühren mit "Narcissus & Echo" im Freiburger E-Werk.“ [...]

„Eine Oper für Sologesang, Viola, Schlagzeug und E-Orgel. Das klingt eher nach Studentenworkshop als nach großer Bühne. "Kammeroper heißt nicht Öperchen", hat Wolfgang Rihm einmal gesagt. Für Klaus Simon und seine Freiburger Opera Factory ist das Statement des Karlsruher Komponisten ein Leitspruch. Nun hat der umtriebige Dirigent mit Java Schwartz’ "Narcissus & Echo" (2003/2009) ein nicht nur wegen der Kleinstbesetzung coronataugliches Werk entdeckt, das im Freiburger E-Werk eine berührende Premiere feierte.“ […]

In Freiburg singt Hélène Fauchère mit ihrem kristallinen Sopran die mal ganz schlichten, dann weit ausholenden Linien des Narcissus, dem Aida-Carmen Soanea an der Viola als Echo gegenübergestellt ist. Die musikalische Annäherung der beiden unterstützt Regisseur Heiko Hentschel auch szenisch, indem die am Anfang ganz hinten im Zuschauerraum postierte Bratschistin allmählich näherkommt. […]

Der analog gebaute zweite Akt beginnt mit sphärischen Klängen von gestrichenen Gläsern. Hélène Fauchères Sopran härtet sich in den dramatischen Ausbrüchen. Aida-Carmen Soanea spürt an der Viola Narcissus’ Spiegelbild nach und schafft mit den häufigen Glissandi Übergänge. Am Ende bewegt sich die auch darstellerisch präsente Bratschistin mit ruhigen Schritten zum Klavier, um, sensibel begleitet von Klaus Simon, Benjamin Brittens "Lachrymae. Reflections on a Song of Dowland" zu interpretieren. Erst am Ende des Variationswerks erklingt der Song von John Dowland, mit dem der Abend auch begann. "If my complaints could passions move" – könnten doch meine Klagen dein Verlangen werden." Georg Rudiger

www.ioco.de

31.10.2020

„Als musikalisches Bühnenpersonal agieren eine Sopranistin, die wunderbare, stimmlich wie darstellerisch jederzeit überzeugende, ja mitreißende Hélène Fauchère, als Narcissus und eine Bratscherin, in Freiburg die ebenbürtig vorzügliche Aida-Carmen Soanea, als dessen Gegenpart Echo sowie ein doppelt besetztes sehr üppiges Schlagwerk, das auch eine, im modernen Musikbetrieb sehr selten zu erlebende Glasharmonika umfasst und die beiden fantastischen Ausführenden Lee Ferguson und Seorim Lee über weite Strecken des Abends stark beschäftigt. Dazu gesellt sich als Organist bzw. Pianist der Gründer und Kopf der Freiburger Opera Factory, Klaus Simon, der den Abend auch als musikalischer und musik-dramaturgischer Leiter überzeugend und souverän strukturiert und buchstäblich in Händen hält.“ „Dafür vermag es diese Musik, den Hörer phasenweise in verborgene, visionäre Ebenen zu entrücken und ihm manchmal sogar ein Gefühl der Transzendenz zu vermitteln. Großen Anteil daran haben in der Freiburger Produktion die fünf Interpreten, die nicht nur solistisch, sondern auch in ihren, allerdings eher seltenen Ensemble-Auftritten restlos überzeugen und den großen Saal des E-Werks Freiburg in einen spannungsgeladenen, pulsierenden Klangraum verwandeln.“

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