Jay Schwartz: Narcissus & Echo
17 October 2020
Narziss und Echo
Musiktheater in der Nach- (oder Noch-)Coronazeit – das muss mehr sein als ein „Weiter so“ und „Zurück zur Tagesordnung“. Nicht nur wegen Abstandsregeln und Schutzauflagen gilt es, grundsätzlich zu reflektieren, wie Musik, Spiel und Publikum in ein neues Verhältnis gebracht werden können, wie sich gebotene Distanz und erhoffte Nähe austarieren lassen. Die Opera Factory Freiburg wagt dies in ihrer diesjährigen Herbstproduktion und hat mit Jay Schwartz' Kammeroper „Narcissus & Echo“ das ideale Werk dazu gefunden.
Das Stück basiert auf der gleichnamigen Erzählung aus Ovids Metamorphosen, in welcher der römische Dichter den Mythos von Narcissus, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt, und der Nymphe Echo, die dazu verflucht ist, nur die letzten Worte ihres Gegenübers wiederholen zu können, poetisch erzählt. Schwartz' Oper verzichtet jedoch auf eine direkte Nacherzählung dieser tragischen Geschichte, sondern beschränkt sich auf wenige Sätze wörtlicher Rede daraus, die in einen musikalisch-theatralischen Spannungsbogen gebracht werden. Der Mythos wird weniger dargestellt als reflektiert, wobei abstrakte Elemente wie Spiegelung und Wiederholung die tragende Rolle spielen. Entsprechend wird sich auch die Inszenierung von Heiko Hentschel auf eine assoziative Umsetzung der Musik konzentrieren und mit neuen Bildern, mit ungewöhnlicher Raumnutzung und auch filmischen Mitteln das Werk neu darstellen. So wird die frappante Aktualität der zu Grunde liegenden Geschichte deutlich, die von Selbstbespiegelung und Selbstverlust erzählt – wie ein Kommentar zu Instagram, Facebook und Co, jedoch 2000 Jahre alt!
Die Musik von Jay Schwartz widersetzt sich jeder Einordnung in gängige Kategorien. Sie ist physisch erlebbarer Klang, sie entfaltet eine auratische Kraft und überwältigt ihren Hörer durch eine rational nicht fassbare, aber emotional mitreißende tonale Schönheit. Gleichzeitig ist Schwartz ein Meister der Reduktion: Für seine Kammeroper benötigt er lediglich eine einzige Vokalstimme, die keiner Figur des Mythos eindeutig zuzuordnen ist. Dazu tritt als instrumentales Alter Ego eine Solobratsche, die ebenfalls szenisch eingesetzt wird, sowie als musikalischer Untergrund extensives Schlagwerk und Orgel.
Fotos: Sébastien Brohier