L'ultimo canto
29. Oktober 2023
Lieder bzw. Liriche von Franco Alfano - eine längst überfällige Wiederentdeckung
Franco Alfano ist vielen Musikfreunden oft nur als der Komponist bekannt, welcher Puccinis Torso Turandot vollenden durfte. Diese Aufgabe hat Alfano aber bis heute erheblich geschadet, anbetracht des Finalproblems von Puccinis letzter Oper und der späterern Quereleien von Arturo Toscanini, der Alfanos Finale nur verstümmelt d.h. empfindlich gekürzt darbot und dadurch lange Jahre Alfanos Fassung dadurch völlig verzerrt darbot. Dass Alfano selber sehr erfolgreich Opern schrieb, die v.a. in Italien und Frankreich zw. 1902 und den 70- Jahren Erfolge feierten, wissen schon weniger Musikfreude. Die allerwenigsten wissen aber, dass er wahrscheinlich der wichtigste italienische Liedkomponist des 20. Jahrhundert war. Um den Terminus "Lied" besser zu verwenden nennen wir ihn bei Alfano sinnvollerweise "Liriche", weil in Italien das "Lied" nur für das deutschsprachige Beiträge zu dieser Gattung genannt werden.
Alfano schrieb insgesamt 57 Beiträge zu klavierbegleiteten Liriche, davon 4 Vocalisen (Vocalizzi). Bei seinen italienischen Zeitgenossen Alfredo Casella und Ottorino Respighi haben die Liriche eine sehr viel geringere Rolle in ihrem Schaffen gespielt.
Alfanos erste Beiträge, seine insgesamt sieben frühe "Melodies" entstanden auf Gedichte französischer Romantiker zwischen 1896 und 1900). 48 Liriche, also der gewichtigste Teil, sind zwischen 1914 und 1949 auf italienisch geschrieben worden. Einige Gedichte stammen von Zeitgenossen Alfanos und auffallend viele basieren auf italienische Nachdichtungen des bengalesichen Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore, der sehr gerne von Komponisten v.a. der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Zemlinsky ("Lyrische Symphonie"), Szymanowski, Casella, Respighi, Carpenter, Wolpe, Durey, Caplet, Milhaud, Bridge, Toch, Eisler u.v.m. vertont wurde. Mit 26 Tagorevertonungen ist Alfano wahrscheinlich schon rein quantitativ als ein sehr wichtiger „Tagore“-Komponist einzuorden.
Der letzte Beitrag von Alfano ist kurioserweise dann doch noch ein "Lied". Sein "Letzter Gedanke" aus dem Todesjahr 1954 ist eine Vertonung der deutschen Dichterin Irma Kugel. Alfano sprach übrigens fließend Französisch und Deutsch.
Alfanos Liriche sind abgesehen von den französischsprachigen Frühwerken, die stilistisch noch von Gabriel Fauré und Jules Massenet inspiriert sind, v.a. vom französischen Impressionismus und von Alfanos Erfahrungen als Opernkomponisten geprägt. Der Klaviersatz verdankt viel der Errungenschaften von Debussy und Ravel, der Gesangspart ist nur selten melodiös sondern oft rezitativisch deklamierend und wenn Alfano Melodien schreibt, dann verlangt er die Qualitäten ein Opernstimme, lange hohe und gerne auch leise aber auch laute Töne, im deutschen Lied eher ein Seltenheit. Nur ein Opernsänger mit Erfahrung in italienischer Oper können das technisch überhaupt leisten. Da muss sich der Sänger die Kraft gut einteilen. Der Zyklus Sette Liriche von 1947 allein ist wirklich eine stimmtechnische Herausforderung.
Alle 57 Beiträge sind sehr gut mit Sopran und Mezzosopran aufführbar. Für Bariton oder Bass hat er explizit nicht geschrieben.
Save the date: Samstag, 21.10.2023 22-23 Uhr
"Die besondere Aufnahme" im Deutschlandfunk Kultur
Lieder von Franco Alfano aus der Produktion 2019/2020 im Hans-Rosbaud-Studio Baden-Baden
mit Nina Tarandek, Mezzosopran
Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosoporan
Philipp Schiemenz, Violoncello
Klaus Simon, Klavier