Jason Robert Brown: The Last Five Years
8. Oktober 2022
Nicht erst seit der gelungenen Hollywood-Verfilmung mit Jermey Jordan und Anna Kendrick in den Hauptrollen aus dem Jahr 2015 hat Jason Roberts Browns OFF-Broadwaymusical The Last Five Years (Uraufführung war 2001 in Chicago) seine Liebhaber in der ganzen Welt gefunden. Dieses Stück über das Kennenlernen eines jungen Paars am Anfang ihrer jeweiligen beruflichen Karriere, dem gegenseitigen Verlieben, dem Beziehungsalltag im Auf und Ab und die finale Trennung nach 5 Jahren Zusammensein, ist alleine schon von der Handlung her sehr berührend: Cathy ist eine angehende Musicalsängerin und hat es nicht leicht. Ihr Traum der Karriere droht zu platzen, weil sie zu selten bei Auditions überzeugen kann, dadurch wird sie auch emotional sehr empfindlich und dünnhäutig. Ihr Liebhaber und späterer Ehemann Jamie ist Romanautor und ihm gelingt auf Anhieb der Erfolg: er schafft den großen Durchbruch und hat mit seinem Schreiben so einen unerwarteten Auftrieb, dass die Ehe sehr darunter zu leiden hat, da die beiden Protagonisten sich ungewollt mehr und mehr entfremden. Sie trennen sich nach fünf Jahren.
Der Clou dieses kleinen aber feinen Musicals ist, dass die ganze Geschichte fast ausschließlich über insgesamt 14 Songs erzählt wird und dabei in zwei gegenläufigen Zeitsträngen. Der Zuschauer erlebt die Geschichte von Cathy rückwärts, also nach der Trennung bis zum ersten Schwärmen nach dem ersten Date, bei Jamie dagegen chronologisch von vorne nach hinten. Dieser dramaturgische Kunstgriff ist sehr gelungen, da der Betrachter Freude oder Leid im Wechsel erlebt, nie aber dauerhaft, je besser es Cathy im Stück geht, desto verletzlicher erleben wir Jamie und umgekehrt. Nur in der Mitte – beim Heiratsantrag - treffen sich kurz die Handlungsstränge, was besonders ist, da es aufgrund der divergierenden Zeitebenen ansonsten keine Duette geben kann.
Der US-Amerikaner Jason Robert Brown (*1970) schrieb dieses Stück als Komponist und Textdichter in Personalunion im Jahr 2000 und verarbeitete damit die Scheidung von seiner ersten Frau. Er gilt in den USA und auch in Europa als profilierter Musicalkomponist und hat zahlreiche nationale Preise für seine Musicals erlangen können. Eine klassische Komponistenausbildung hat er bei Joseph Schwantner in Rochester erlangt, entschied sich aber dann für ein Leben als Songwriter/Musicalkomponist und ist, was man am sehr anspruchsvollen Klavierpart von The Last Five Years konstatieren kann, auch ein formidabler Pianist.
Die Opera Factory hat bereits 2007 Browns erste Show Songs for a New World im E-Werk Freiburg auf die Bühne gebracht gehabt und findet neben der fantastischen Qualität seiner Musik, die entgegen der Seichtigkeit vieler kommerzieller Musicals landauf und landab eine innere Größe und Wahrhaftigkeit trägt, dass dieser seltene Ausflug ins Musicalgenre dem Argument der Qualität eines Bühnenwerks unabhängig eines Genres geschuldet ist. Leonard Bernstein sagte einmal es gebe für ihn keinen qualitativen Unterschied zwischen U- oder E- Musik, sondern nur zwischen guter und schlechter. Dem schließt sich die Opera Factory in voller Überzeugung an.
Mit der jungen Regisseurin Natalia Voskoboynikova konnten wir eine sehr begabte Nachwuchsregisseurin und mit Melanie Kintzinger eine phantasievolle Ausstatterin für dieses Stück gewinnen. Zwei in Deutschland sehr bekannte internationale Musicaldarsteller, Gabriela Ryffel und Calum Melville sind gecastet und die Freude auf dieses Stück überträgt sich auch auf die Musiker der Band of (!) Holst-Sinfonietta, die in diesem Stück endlich auch mal ihre stille Leidenschaft für Browns vielfältige Musik, stilistisch zwischen Rock n'Roll, Ballade, Folkrock und Chanson verortet, ausleben dürfen.